Der WaldkindergartenDie Begegnung mit der Natur fördern

Ein Waldkindergarten bietet Kindern die Möglichkeit, sehr früh einen engen Bezug zur Natur aufbauen zu können. Diese Begegnungen mit der Natur fördern nicht nur die Sinne, sondern auch das ökologische Denken unserer Kinder.

Der Waldkindergarten: Die Begegnung mit der Natur fördern
© pixelio

Der Ursprung der Waldkindergärten ist in Dänemark zu finden. Mitte der 50er Jahre wurde in Sölleröd von Ella Flatau, die täglich mit ihren Kindern in den Wald ging, der erste Waldkindergarten gegründet. Als 1993 in Flensburg der erste staatlich anerkannte und nach dänischem Modell gegründete Waldkindergarten durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit bekannt wurde, zündete die Idee auch in Deutschland.

Waldkindergärten entstehen aus der Idee heraus, wieder einen selbstverständlicheren Bezug zur Natur zu gewinnen. Um mit der Natur vetraut zu werden, muss man sich ganz ihrem Rhythmus anvertrauen. Deshalb verpflichten sich die ErzieherInnen in den Waldkindergärten nicht auf einheitliche pädagogische Richtlinien. Der Bezugspunkt ist wie bei vielen reformpädagogischen Ansätzen die Erfahrungs- und Erlebniswelt der Kinder. Deren Ideen, Interessen und Probleme sollen im Vordergrund stehen. So kommt im Wald der situationsbezogene Ansatz verstärkt zum Tragen.

Umweltbildung steht im Vordergrund

Der Gedanke der "Umwelt-Bildung" ist neben einer Reihe von weiteren Erziehungszielen wie soziales Lernen, Geschicklichkeit und Motorik besonders hervorzuheben. Bei der Umwelt-Bildung soll keine Idealisierung der Natur als "die gute und schöne Natur" vorgenommen werden. Waldkindergarten-Pädagogik setzt vielmehr darauf, dass Kinder schon im Vorschulalter erleben und begreifen, wie der Mensch mit seiner natürlichen Umwelt verbunden und dass er auf die Natur angewiesen ist. Der Waldkindergarten will den Kindern die Chance geben, zu ihrem natürlichen Umfeld im täglichen Erleben eine emotionale Beziehung aufzubauen. Kindergartenkinder sind für Naturerfahrungen besonders empfänglich und in diesem Alter, so versichern viele Umweltpädagogen und Psychologen, werde ein sehr intensives Verhältnis zur Natur aufgebaut.

Größerer Bewegungsraum

Weitere Bildungsziele wie Geschicklichkeit, Motorik und soziales Lernen lassen sich im Wald, folgt man den Verfechtern der Waldkindergärten, besonders gut erreichen. Der Wald als Spielraum hält für die Kinder vielfältige Formen, Farben und Phänomene bereit, die zahlreiche Anreize für die Phantasie geben. Die Sinne des Kindes - Sehen, Fühlen, Hören, Riechen und Schmecken - sind im Wald ständig gefordert. Die Kinder können sich dort frei bewegen und vielfältige Raumerfahrungen machen. Sie lernen so ihre Möglichkeiten aber auch die Grenzen ihrer Bewegungsfähigkeiten kennen. Auch bietet der größerer Bewegungsraum im Wald gegenüber der Raumbegrenzung im Kindergarten den Vorteil, dass besser Agressionen abgebaut werden können. Man kann sich besser aus dem Weg gehen und es entstehen weniger Reibungen. Auch die Lautstärke der Kinder wird für alle erträglicher.

Vielfältige Lern- und Erfahrungsziele

Bei der Arbeit der Waldkindergarten-ErzieherInnen stehen folgende Lern- und Erfahrungsziele im Vordergrund (siehe Quellen): 1. Förderung der Motorik durch natürliche, differenzierte, lustvolle Bewegungsanlässe und -möglichkeiten; 2. Erleben der jahreszeitlichen Rhythmen und Naturerscheinungen; 3. Förderung der Sinneswahrnehmung durch Primärerfahrungen; 4. Ganzheitliches Lernen, d.h. Lernen mit allen Sinnen, mit dem Körper, alle Ebenen der Wahrnehmung ansprechend; 5. Erleben der Pflanzen und Tiere in ihren originären Lebensräumen; 6. Möglichkeit, die Grenzen der eigenen Körperlichkeit zu erfahren; 7. Erfahren von Stille und Sensibilisierung für das gesprochene Wort; 8. Sensibilisierung für ökologische Zusammenhänge und Vernetzungen; 9. Wertschätzung der Lebensgemeinschaft Wald und des Lebens überhaupt (Ingrid Miklitz: Der Waldkindergarten; Luchterhand 2000, S.18/19).

In der Praxis unterscheidet der Waldkindergarten sich erheblich vom Regelkindergarten. Zwei Punkte sind dafür wentlich: Die ErzieherInnen halten sich mit den Kindern hauptsächlich im Freien auf; man verzichtet auf ein eigenes Gebäude. Das führt zu einer Reihe weiterer Voraussetzungen und Merkmale, die den Waldkindergarten auszeichnen. Eine der entscheidenden Voraussetzungen ist natürlich der geeignete Wald. Hans Georg Schede zählt die wichtigsten Punkte für den geeigneten Wald auf: „Der Anmarsch- oder Anfahrtsweg sollte nicht zu lang sein. Am besten ist es natürlich, wenn alle Eltern zu Fuß zum Waldrand gehen können [...] Wichtig ist, dass der Wald selbst ausreichend groß ist, damit er für die Kinder anhaltend interessant bleibt und selbst nicht überbelastet wird. Als Landschaft und in seinem Bewuchs sollte er abwechslungsreich sein, gleichzeitig jedoch überschaubar, damit die ErzieherInnen die Kinder im Auge behalten können." (siehe Quellen, S.30).

Voraussetzung ist ein geeigneter Wald und ein Unterstand

Wichtig bei der Einholung einer "Betriebserlaubnis" für einen Waldkindergarten ist das Jugendamt, das die Erlaubnis erteilt. Auch muss man sich an die Forstbehörde oder, je nachdem in wessen Besitz sich der Wald befindet, an andere Stellen wenden, die den Aufenthalt im Wald zwar nicht prinzipiell verbieten, aber doch an Auflagen binden können. Wenn man einen Waldkindergarten gründet, sind neben dem Landschafts- und Forstrecht und dem Jugendhilferecht in der Regel auch die Bestimmungen des Vereinsrecht und des Baurechts von Bedeutung. Fast alle Waldkindergärten haben die Auflage, eine Schutzhütte einzurichten. Soll nur ein Unterstand entstehen oder ein Bauwagen aufgestellt werden, so kann das Bauamt eine Duldung aussprechen. Auf einen Bauantrag kann dann verzichtet werden. Dieser ist aber dann zwingend vorgeschrieben, wenn man eine geschlossene Hütte errichten will. Eine Schutzhütte ist bei der Errichtung eines Waldkindergartens das größte Hindernis. Denn man muss die erforderliche Genehmigung erhalten und darüberhinaus entstehen dadurch Kosten. Dennoch machen Hans-Georg Schede zufolge die meisten Jugendämter die Erteilung einer Betriebserlaubnis davon abhängig, ob eine Schutzhütte vorhanden ist. Waldkindergärten bestehen in der Regel aus einer Gruppe von bis zu zwanzig Kindern - also durchschnittlich kleiner als eine Gruppe in einem Regelkindergarten. Die Öffnungszeiten sind kürzer als in Regelkindergärten, was auf die Belastung des Personals zurüchzuführen ist. Der Waldkindergarten erfordert eine aufwendigere organisatorische Vor- und Nachbereitung, die meist nicht in der Einrichtung möglich ist.

Treffpunkt und Ausrüstung

Treffpunkt für den Waldkindergarten ist der Schutz-Unterstand, der Bauwagen oder ein Parkplatz am Waldrand, von dem aus verschiedene Wege in den Wald führen. Die Kinder müssen ausgerüstet sein mit der für die Jahreszeit passenden Kleidung und sollten einen Rucksack dabei haben, in dem alles, was das Kind benötigt, drin ist: eine kleine Isomatte, damit sich die Kinder auch bei feuchtem Wetter hinsetzen können, Regenkleidung, ein kleines Handtuch, in einer Tüte einen feuchten Waschlappen, einen Trinkbecher und eine Dose mit dem Frühstück drin. Süße Esswaren und Getränke sind eher nicht mitzugeben, denn sie locken Wespen und Insekten an. Ebenso sollte auf aufwendig verpacktes Essen verzichtet werden, denn im Wald stehen nicht überall Mülleimer zur Verfügung. Die sonstigen Dinge, die zur Ausrüstung der Gruppe gehören, kann man in einem Bollerwagen verstauen: großer Wasserkanister, einfaches Mal- und Bastelzeug, Bilder- und Lesebücher, Bestimmungsbücher für Pflanzen und Tiere, Ersatzkleidung für jedes Kind, Toilettenpapier, mobiles Telefon, Erste-Hilfe-Ausrüstung (Wundpflaster, Desinfektionsmittel usw.). Da im Waldkindergarten andere Schwerpunkte gesetzt werden als im Regelkindergarten, muss die Auswahl des Spiel- und Bastel-Materials kleiner sein, was wiederum den pädagogischen Absichten der Waldfrüherziehung entgegen kommt.

Gesundheit und Hygiene

Wichtig ist auch den Punkt Gesundheit anzusprechen, denn der Wald birgt auch einige Gefahren: z.B Zecken; zum Schutz ist es auch im Sommer ist es sinnvoll, eine Kopfbedeckungn langärmelige Shirts, lange Hosen sowie Strümpfe und festes Schuhwerk zu tragen. Mitunter gefährlich kann auch der Fuchsbandwurm werden. Deshalb gilt es die Regel zu befolgen, dass man auf keinen Fall Beeren und Waldfrüchte roh und ungewaschen essen darf. Insbesondere niedrig wachsende Beeren, Pilze und sonstige Früchte können mit den Eiern des Fuchsbandwurmes kontaminiert sein. Zu einem Kompott weiterverarbeitete Waldfrüchte sind dagegen ungefärlich, denn das Abkochen überleben die Bandwurmeier nicht. Auch sollte man sich über die Tollwut-Gefahr informieren. Tollwutinfizierte Tiere sind oft zutraulich und lassen sich streicheln. Weiter sollte jedes Kind gegen Tetatanus unbedingt geimpft sein. Über die Ozonwerte sollten sich die ErzieherInnen informieren. Zwar liegen diese morgens, zur Waldkindergartenzeit nicht sehr hoch, dennoch kann auch um diese Zeit die Konzentration schon zu hoch sein. Über spezielle allergische Reaktionen beim Kind sollte die ErzieherIn unbedingt informiert werden, um in einem solchen Fall, etwa bei Insektenstichen, die richtigen Maßnahmen treffen zu können. Sich gründlich die Hände zu waschen, muss für die Kinder im Waldkindergarten eine Selbstverständlichkeit werden. Dafür haben sie nasse Waschlappen in ihren Rucksäcken und im Bollerwagen gibt es einen großen Wasserkanister. Für die Notdurft der Kinder sollte ein Spaten und Toilettenpapier im Bollerwagen bereitliegen. Manche Jugendämter stellen für eine Betriebsgenehmigung die Bedingung, im Wald einen Bioklo einzurichten, denn prinzipiell sollen die gleichen hygienischen Bedingungen wie im Regelkindergarten herrschen. Für die ErzieherInnen stellt sich somit das Problem, unter weniger bequemen Bedingungen für gute hygienische Verhältnisse Sorge zu tragen. Die notwendigen Gedanken dazu und ein den Umständen entsprechendes bewusstes Verhalten sind allerdings für eine ökologisch orientierte Elementarpädagogik grundlegend.

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