Chronisch kranke KinderEs leidet die ganze Familie

Schon das Leben mit gesunden Kindern kann hin und wieder anstrengend sein. Wenn aber chronisch kranke Kinder in der Familie sind, dann ist der Alltag oft kaum zu bewältigen. Eltern chronisch kranker Kinder sollten sich Hilfe von Außen suchen.

Chronisch kranke Kinder: Es leidet die ganze Familie
© Pixabay

In den letzten Jahrzehnten treten immer häufiger chronische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter auf, die sowohl aus medizinischer als auch aus psychosozialer Sicht immer größeren Handlungsbedarf nach sich ziehen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass ca. 10% aller vier- bis siebzehnjährigen Kinder chronisch krank sind, wobei Kinder mit Asthma und Allergien die mit Abstand größte Krankheitsgruppe darstellen.

Entwicklungsrisiken bei chronischen Erkrankungen

Das Risiko, dass sich in der kindlichen Entwicklung eine psychische Störung ausbildet, ist bei chronisch kranken Kindern 2 bis 3 Mal so hoch wie bei gesunden Kindern. Häufig sind Angst- und depressive Störungen zu beobachten, seltener sind dagegen Verhaltensstörungen wie beispielsweise Aggressivität. Bei ca. einem Drittel der Kinder sind diese Symptome behandlungsbedürftig.

Familien chronisch kranker Kinder

Belastet sind aber nicht nur die erkrankten Kinder selbst, sondern auch ihre Eltern und Geschwisterkinder. So leiden Eltern chronisch kranker Kinder oft unter eingeschränkter Lebensqualität und Partnerkonflikten. Vor allem die Mütter sind anfälliger für Depressionen. Die Geschwister chronisch kranker Kinder werden auch als "Schattenkinder" bezeichnet, weil sie im Schatten der elterlichen Aufmerksamkeit und Zuwendung aufwachsen, die hauptsächlich dem erkrankten Kind gilt. Insgesamt variieren die krankheitsspezifischen Belastungen, denen die Familienangehörigen ausgesetzt sind, je nach Krankheitsbild und Krankheitsschwere.

Belastungen, denen die Familien der kranken Kinder ausgesetzt sind

  • Daueraufmerksamkeit für das Auftreten von Krankheitssymptomen
  • Last der Verantwortung für die Langzeittherapie
  • Verlust an Lebensfreude / Unbeschwertheit
  • Zukunftsängste im Hinblick auf den weiteren Krankheitsverlauf
  • Erziehungsprobleme (erkranktes Kind, gesunde Geschwisterkinder)
  • Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder
  • Abnahme von Sozialkontakten
  • Einschränkung von Alltags- und Freizeitaktivitäten
  • Probleme mit der Fremdbetreuung (z.B. im Kindergarten)
  • Einschränkung / Aufgabe der Berufstätigkeit (vor allem der Mütter)
  • Finanzielle Belastungen

Kindliche Krankheitsvorstellungen

Chronisch kranke Kinder entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eigene Vorstellungen über das Krankheitsgeschehen in ihrem Körper. Kinder im Kindergartenalter nehmen beispielsweise vor allem konkrete, äußerlich wahrnehmbare Krankheitsphänomene wahr. Nicht sichtbare oder spürbare Krankheitsanzeichen erkennen sie dagegen oft nicht an und wollen sich dementsprechend auch nicht behandeln lassen. Sie führen die Krankheitsursache häufig auf konkrete Ereignisse, Handlungen anderer Personen oder eigenes (Fehl-)verhalten zurück. Nicht selten entwickeln sie deshalb auch Schuldgefühle.

Auch die Therapiemaßnahmen werden von den Kindern häufig nach sichtbaren und spürbaren Wirkungen beurteilt. So schreiben viele Kinder zum Beispiel gut schmeckender Medizin eine bessere Wirkung zu als schlecht schmeckender. Kindergartenkinder haben zudem noch eine stark ausgeprägte egozentrische Sichtweise, d.h. sie haben Probleme, Ereignisse aus einer anderen als der eigenen Perspektive zu beschreiben. Schmerzhafte Maßnahmen wie Spritzen oder Blutentnahmen, die bei medizinischen Behandlungen anfallen, empfinden sie daher nicht als notwendig oder wirksam.

Chronisch kranke Kinder (und auch ihre gesunden Gleichaltrigen) benötigen daher eine Krankheitsaufklärung, die ihrem jeweiligen Alter und Entwicklungsstand angemessen ist (Beispiel s. Kasten). Erst auf dieser Grundlage sind sie in der Lage, krankheitsbezogene Informationen zu verarbeiten und in ihr subjektives Krankheitserleben zu integrieren.

Kindgerechte Krankheitsaufklärung am Beispiel der Juvenilen chronischen Arthritis

Die "geLENKig"-Broschüre (Wiedebusch & Ganser, 1992) soll jüngeren Kindern grundlegendes Krankheits- und Behandlungswissen vermitteln. Entsprechend ihrem kognitiven Entwicklungsstand werden den Kindern Aspekte der rheumatischen Erkrankung beschrieben, die sichtbar sind und/oder am eigenen Körper erlebt werden können (z.B. Schwellung, Rötung und Überwärmung der Gelenke, Schmerzen, Bewegungsbeeinträchtigungen). Auf eine detaillierte Erläuterung des im Gelenk ablaufenden Entzündungsprozesses wird verzichtet, da er von jüngeren Kindern kognitiv noch nicht nachvollzogen werden kann. Der Untertitel "Ein Rheumabuch für Kinder" weist darauf hin, dass nicht nur rheumakranke Kinder, sondern auch gesunde Gleichaltrige angesprochen werden. So können beispielsweise Kindergartengruppen oder Grundschulklassen die Broschüre gemeinsam durcharbeiten.

Psychosoziale Betreuung chronisch kranker Kinder

Durch die Fortschritte in der Klinischen Kinderpsychologie und der verhaltensmedizinischen Forschung sowie durch die Erprobung neuer Betreuungskonzepte in der Praxis hat sich die psychosoziale Versorgung chronisch kranker Kinder inzwischen stark verbessert. So arbeitet beispielsweise auf vielen kinderklinischen Stationen und auch in zunehmend mehr spezialisierten Fachambulanzen ein psychosozialer Dienst, der eine spezifische Beratung der betroffenen Familien gewährleistet soll. Aus psychologischer Sicht stehen dabei folgende Beratungsangebote im Vordergrund:

  • Familienberatung
    Zu Beginn der Erkrankung werden Erstgespräche für neu betroffene Familien angeboten, die noch unter dem Diagnoseschock stehen, eine Fülle von Informationen verarbeiten müssen und zahlreichen Veränderungen in ihrem Alltag ausgesetzt sind. Die Familie soll von Anfang an begleitet und unterstützt werden, um den Verarbeitungsprozess der Krankheit günstig beeinflussen und unerwünschten sekundären Krankheitsfolgen frühzeitig entgegenwirken zu können. Hierzu dienen im weiteren Krankheitsverlauf vor allem Beratungsgespräche.
  • Hilfen in Problemsituationen
    Im Verlauf chronischer Erkrankungen tauchen immer wieder Probleme bei der Therapiemitarbeit der Kinder oder andere spezielle Problemen (z.B. Trennungsangst im Krankenhaus, Spritzenphobien, psychosomatische Beschwerden) auf. Je nach Situation können in diesen Fällen Einzelgespräche, therapeutische Vereinbarungen oder Verhaltensübungen zur Problemlösung beitragen.
    Da Schmerzen das alltägliche Krankheitserleben vieler chronisch kranker Kinder prägen, gibt es verhaltensmedizinische Schmerzbewältigungstechniken, die schon von jungen Kindern erlernt werden können Dabei werden schmerzbegleitend auftretende Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen so verändert, dass das Schmerzerleben günstig beeinflusst wird.
  • Patientenschulung
    Zu vielen Krankheitsbildern (z.B. Asthma, Diabetes, Neurodermitis, Juvenile chronische Arthritis) liegen kindgerecht gestaltete Schulungsprogramme vor, in denen chronisch kranke Kinder ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechend über ihre Krankheit aufgeklärt werden sowie grundlegende therapeutische Fertigkeiten erlernen (z.B. Peak-flow-Messungen bei Asthma; Insulininjektionen bei Diabetes; physiotherapeutische Übungen bei Juveniler chronischer Arthritis). So wird die Sicherheit im Umgang mit der Krankheit erhöht, die Eigenverantwortlichkeit der Kinder gestärkt und ihre Therapiemitarbeit verbessert. Begleitende Elternschulungen erhöhen das Krankheitswissen der Eltern und helfen ihnen, ihre Co-Therapeutenrolle bei der Behandlung ihres Kindes kompetent ausüben zu können.

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