Mädchen und ihre RollenfindungStark wie ein Mädchen

Die Entwicklung vom Mädchen zur Frau kann schon sehr früh einsetzen. Auf einmal möchte die Tochter Röcke tragen und ein pinkes Zimmer. Wie können Eltern aber die Entwicklungsphasen von Mädchen erkennen?

Mädchen und ihre Rollenfindung: Stark wie ein Mädchen
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Kurze Zeit nach dem Eintritt in den Kindergarten passiert etwas, das die Eltern - speziell die Mütter - von Mädchen nicht selten erstaunt, manchmal auch irritiert: Ihre Töchter, die bis dahin mit Jeans, T-Shirts und beliebigem Schuhwerk zufrieden waren, bestehen auf einmal darauf, Röcke, Pullover mit Glitzerschmuck und Schuhe ganz bestimmten Typs zu tragen. Zum Geburtstag werden nur noch Mädchen eingeladen und bei der Kleidung und im Kinderzimmer greift die Farbe Pink um sich.

Warum ist das so? Mädchen (ebenso wie die Jungen) erkennen schon sehr früh, dass weiblich/männlich eines der mächtigsten Ordnungsschemata der sie umgebenden Welt ist. In dieser Ordnung gilt es, einen Platz zu finden, sich zu positionieren, die eigene Geschlechtsidentität zu entwickeln. Je eindeutiger die Signale sind (Rock statt Jeans, pink statt blau) desto besser, zeigen sie doch, dass die Trägerin weiß, wie ein "richtiges" Mädchen aussieht. In dieser Entwicklungsphase suchen Kinder Sicherheit bezüglich ihrer geschlechtlichen Identität, und diese Sicherheit finden Mädchen nicht zuletzt auch in Mädchengruppen (und Jungen in Jungengruppen) mit den Aktivitäten, die als typisch für Mädchen bzw. Jungen gelten.

Mädchen in ihrer Entwicklung nicht beschränken

Für Eltern und Erzieherinnen ist diese Phase eine Zeit, in der sie die Entwicklung von Mädchen besonders aufmerksam begleiten sollten. Keinesfalls sollten sie, vielleicht resigniert, denken "So sind sie eben, die Mädchen!" - und das Verhalten einseitig verstärken, indem sie vorwiegend das hübsche Aussehen und das "brave" Verhalten der Mädchen loben (im Gegensatz zu den "wilden" Jungen). Vielmehr gilt es, einerseits die Freude der Mädchen an ihrem Mädchensein mit allem, was dazu gehört, zu verstehen und ein positives Selbstbild zu unterstützen. Andererseits ist darauf zu achten, dass Mädchen in ihrer Entwicklung nicht schon in den frühen Jahren durch Geschlechterstereotype eingeschränkt werden. Denn diese Jahre sind auch das Alter, in dem Mädchen so viel wie möglich ausprobieren sollten, um ihre Stärken und Interessen zu finden und zu entwickeln.

Mädchen - das starke Geschlecht?

Die Überschriften der populären Wissenschaftsartikel und die Titel der Erziehungsratgeber waren in letzter Zeit verstärkt den Jungen gewidmet. Der Tenor ist immer derselbe: "Arme Jungs", "Das benachteiligte Geschlecht" usw. Immer wieder ist zu lesen: Die Mädchen haben aufgeholt und die Jungen sogar überflügelt. In der Tat: Mädchen wirken im ersten Lebensjahrzehnt resilienter, das heißt widerstandsfähiger, stabiler, leistungsfähiger als Jungen. Allerdings scheint sich im Laufe des zweiten Lebensjahrzehnts das Bild zu Ungunsten der Mädchen zu verschieben. Spätestens mit Beginn der Pubertät besteht die Gefahr, dass Mädchen durch kulturellen Druck (zum Beispiel bezüglich ihres Gewichts und ihrer Figur) Einschränkungen ihrer Autonomie und ihres Könnens erleben, mit der Folge, dass viele Mädchen an Selbstvertrauen verlieren und sich zum Beispiel nach wie vor überwiegend für das schmale Angebot an typischen Frauenberufen und damit für ein niedriges Gehalt und geringe Aufstiegschancen entscheiden.

Fit für die Zukunft

Es ist schwer sich vorzustellen, wie die Welt aussehen wird, wenn die Mädchen, die heute einen Kindergarten besuchen, erwachsene Frauen sein werden. Um sie möglichst gut auf die Zukunft vorzubereiten und ihnen viele Möglichkeiten der individuellen Lebensgestaltung zu eröffnen, sollte sich die Erziehung in der Familie und im Kindergarten die Förderung der so genannten Basiskompetenzen zum Ziel setzen:

  • Stabiles Selbstwertgefühl: Kinder entwickeln ein stabiles Selbstwertgefühl, wenn sie von Erwachsenen und anderen Kindern Wertschätzung erfahren, die an keine Bedingungen geknüpft ist. Mädchen sollten dazu ermutigt werden, auf ihre Leistungen und Fähigkeiten stolz zu sein. Niemals dürfen sie ihres Geschlechts wegen beschämt werden.
  • Positive Selbstkonzepte: Mädchen sollten darin unterstützt werden, positive Selbstkonzepte in unterschiedlichen Bereichen zu entwickeln. Dazu gehört das Vertrauen in die eigene Lern- und Leistungsfähigkeit und in das Vermögen, mit anderen Menschen und mit den eigenen Gefühlen gut umgehen zu können. Wichtig ist außerdem, dass Mädchen ein positives Verhältnis gegenüber ihrem Körper entwickeln, sich fit und attraktiv fühlen und das eigene Aussehen akzeptieren. Positive Selbstkonzepte führen zu Selbstbewusstsein - eine wichtige Voraussetzung für Leistungs- und Durchsetzungsvermögen.
  • Autonomieerleben: Kinder erleben sich als autonome Personen, wenn sie entscheiden dürfen, was sie selbst tun, und auch darauf Einfluss nehmen können, was in einer Gruppe wie getan wird. Mädchen brauchen deshalb in der Familie und im Kindergarten Mitbestimmungsmöglichkeiten, die ihrem Alter entsprechen. Sie sollten außerdem ermutigt werden, sich in gemischten Gruppen gegen die Dominanz der Jungen durchzusetzen, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Dabei können die Mädchen wichtige kommunikative Fähigkeiten erwerben.
  • Neugier und individuelle Interessen: Mädchen sollten darin unterstützt werden, Neuem gegenüber offen und aufgeschlossen zu sein und ihren Interessen nachzugehen und sie zu vertiefen - und zwar nicht nur das Interesse an Personen, sondern auch an Sachthemen. Je breiter das Erfahrungsspektrum von Mädchen ist, desto geringer ist die Gefahr, dass sie durch geschlechtsbezogene Stereotype eingeschränkt werden. "Das ist nichts für Mädchen" gibt es nicht mehr.

Ein Vorteil der Mädchen

Mädchen haben einen Vorteil, der genutzt werden kann, damit sie lernen, geschlechtsbezogene Stereotype kritisch zu sehen und zu überwinden: Es ist für sie leichter als für Jungen, Geschlechtergrenzen im Spiel, im Sport und bei der Herausbildung von Interessen zu überschreiten. Wenn Jungen sich Aktivitäten zuwenden, die als "typisch weiblich" gelten, laufen sie Gefahr, von ihren Altersgenossen gehänselt und von Erwachsenen mit einer gewissen Skepsis betrachtet zu werden. Mädchen dagegen, die sich in Jungengruppen behaupten oder sich in Bereichen durchsetzen, die als "typisch männlich" gelten, ernten Respekt - und das ist wiederum gut für ihr Selbstbewusstsein.

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