Kein Stress am EsstischMahlzeit ist Aus-zeit

Speziell für Kinder ist es wichtig, sich beim Essen auf das Essen zu konzentrieren. Leider kommen aber gerade am Esstisch auch Probleme auf den Tisch. Aber gesund essen bedeutet auch bewusst essen.

Kein Stress am Esstisch: Mahlzeit ist Aus-zeit
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Der Tisch ist reserviert, Sie betreten das Restaurant, nehmen Platz, sind voller Vorfreude auf den kulinarischen Genuss. Noch bevor die Vorspeise serviert wird, kommt das Gespräch auf die letzte Steuererklärung: "Die Rückzahlung war viel zu gering. Unser Steuerberater ist unfähig. Warum musstest du ausgerechnet zu dem gehen?" Haben Sie dann noch Appetit? Freuen Sie sich auf die Köstlichkeiten, die Sie bald vor sich auf dem Teller haben werden? Wohl kaum. Ihr Kopf ist beschäftigt mit den angesprochenen Problemen, da haben die Sinne es schwer, den Abend zu genießen.

Probleme sind am Esstisch tabu

Wenn Sie als Erwachsene schon Schwierigkeiten damit haben, Kopf und Bauch in Einklang zu bringen - wie viel schwieriger muss es da für ein Kind sein, mit Freude zu essen, wenn die gemeinsame Mahlzeit dazu dient, Probleme zu erörtern oder Diskussionen zu führen. Doch in vielen Familien scheint die Zeit, zu der sich alle um den Esstisch herum versammeln, wie geschaffen zu sein, um "reinen Tisch" zu machen. "Das Essen im Familienkreis war furchtbar", erinnert sich zum Beispiel Angelika. "Alle Probleme dieser Welt kamen zusammen mit der scheußlichen braunen Fleischsoße auf den Tisch. Als erstes fragte mein Vater immer: 'Na, was macht die Schule?' Und schon war der Krach da. Glücklicherweise gab es nur am Sonntag eine gemeinsame Mahlzeit." Seit ein paar Monaten ist Angelika selbst Mutter. Wie wird sie das Essen im Familienkreis gestalten, wenn ihr Sohn ins entsprechende Alter kommt? "Auf keinen Fall so, wie ich es kenne. Lieber drücke ich Tobias eine Tüte Pommes in die Hand." Wer könnte Angelika nicht verstehen nach diesen Erfahrungen?

Warum tun wir uns so schwer mit einer angenehmen, freundlichen Atmosphäre beim Essen? Wir reißen unsere Kinder doch nachts auch nicht aus dem Schlaf, um mit ihnen Probleme zu besprechen. Probleme sollten beim Essen im Familienkreis tabu sein. Denn Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme und Kalorienzufuhr: Es ist sinnlicher Genuss. Ein nett gedeckter Tisch, eine leckere Mahlzeit, die allen schmeckt, eine entspannte Stimmung mit lockeren, freundlichen Gesprächen: So sollte es sein. Problemgespräche und Erziehungsversuche können warten, bis das Essen vorüber ist. Und am besten versammelt sich die Familie zu ernsten Gesprächen auch dann nicht um denselben Tisch, an dem mittags oder abends gegessen wird; sensiblen Kindern schnürt es beim nächsten Essen den Magen zu, wenn an diesem Tisch zuvor die kleinen oder größeren Probleme erörtert wurden.

kizz Info

Für den Genuss am Esstisch:

  • Sehen Sie die gemeinsame Zeit am Esstisch als "Auszeit", in der Problemgespräche tabu sind. Sorgen Sie für eine nette, entspannte Atmosphäre.
  • Bewerten Sie das Essverhalten Ihres Kindes nicht zu hoch. Vermitteln Sie ihm: Essen ist etwas Freiwilliges, Angenehmes.
  • Setzen Sie das Essen nicht als Belohnung oder Strafe ein.
  • Beteiligen Sie Ihr Kind an den Vorbereitungen und der Zubereitung der Mahlzeiten.

"Mein Kind isst so wenig!"

Ja, und wenn das Essen selbst ein Problem ist? Mein Kind isst zu wenig. Mein Kind isst zu viel. Mein Kind mag kein Fleisch. Meins isst kein Gemüse. So gewichtige Klagen über ein so nichtiges Thema. Denn wie viel und was ein Kind essen sollte, weiß es in den meisten Fällen allein. Die Kinderärztin Dr. Clara Davis war vor mehr als 80 Jahren eine der Ersten, die sich mit einer "bedarfsgerechten" Kinderernährung beschäftigte. Einigen Kleinkindern im Alter zwischen sechs und neun Monaten, die gerade abgestillt worden waren, stellte man eine breite Auswahl an naturbelassenen Lebensmitteln zur Verfügung, aus der sie sich nach Belieben bedienen konnten: Obst und Gemüse, Fleisch und Kartoffeln - alles ungewürzt und möglichst roh. Nach einer Eingewöhnungszeit von zwei Wochen wussten die Kinder genau, was ihr Körper brauchte, und sie gediehen prächtig. Für Clara Davis und ihre Anhänger, wie etwa den Schweizer Ernährungsforscher Guy-Claude Burger, ist das der Beweis für einen "Ernährungsinstinkt", über den alle Menschen von Geburt an verfügen: Ein Kind, das nicht ständig Süßigkeiten und fettreiche Nahrungsmittel in sich hineinstopft, sondern vollwertige Lebensmittel nach Bedarf isst und das sich ausreichend bewegt, wird nicht zu dick werden und nicht zu dünn bleiben. Außerdem: Wenn das Kind merkt, dass das Glück seiner Mutter von der Nahrungsmenge abhängt, die das Kind zu sich nimmt, hat es einen wirkungsvollen Trumpf in der Hand. Es ist nicht selten, dass Kinder, deren Essverhalten ständig im Mittelpunkt steht, ihre Eltern damit regelrecht erpressen.

Schluss also mit der sorgenvollen Miene bei Tisch. Essen soll Spaß machen, es soll weder als Belohnung dienen ("Wenn du deinen Teller leer isst, gehen wir in den Zirkus") noch als Strafe eingesetzt werden ("Wenn du nicht aufräumst, gibt es keinen Nachtisch"). Denn wer lernt, dass das Essen mit Konditionierung verknüpft ist, wird sich später vielleicht weiterhin mit Lebensmitteln trösten oder strafen: die Tafel Schokolade als Trost für die verhauene Mathearbeit, das Erbrechen bulimiekranker Mädchen als Reaktion auf frustrierende Erfahrungen oder Gefühle. 

Mit den Kindern vorbereiten

Kinder sollten essen dürfen, nicht müssen. Jeder versteht natürlich die Mutter, die sorgfältig eingekauft und liebevoll zubereitet hat. Wenn dann die Kinder lustlos auf dem Teller herumstochern, ist die Enttäuschung groß. Der dänische Familientherapeut Jesper Juul rät, die Kinder in die Vorbereitung des Essens stärker einzubeziehen und empfiehlt, sie schon früh mit zum Einkaufen zu nehmen. Zweimal pro Woche, meint der Psychologe, sollte gemeinsam mit ihnen das Essen zubereitet werden. Vielleicht kann dieser Vorschlag sogar noch erweitert werden, indem man dem Kind ab einem gewissen Alter gelegentlich den "Kochdienst" anvertraut. Selbst wenn es nur das Auftauen einer vorbereiteten Mahlzeit ist oder das Zubereiten eines einfachen Salates - das Kind wird Stolz empfinden auf diese Leistung, sich freuen, wenn es den anderen schmeckt und aus seiner passiven "Mäkel-Rolle" herauskommen. Und wenn das Kinder-Menü daneben geht? Dann gibt es keine bösen Worte, sondern ein Butterbrot.

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