Kinder brauchen Rituale"Mama liest mir abends noch was vor"

Egal, ob die Gutenachtgeschichte oder der Geburtstagskuchen: Kinder lieben Rituale. Denn sie geben ihnen Sicherheit.

Kinder brauchen Rituale:
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Rituale: Nicht wenige von uns denken dabei spontan an den ungeliebten Sonntagsspaziergang und das öde, immer gleiche Weihnachtsessen bei der langweiligen Tante Klara. Bloß nicht solche einengenden Zwangsveranstaltungen in der eigenen Familie! Glücklicherweise ist das nur die eine Seite der Medaille. Da gab es auch die schönen, noch heute lebendigen Momente: die gemütliche Teestunde nach den Schulaufgaben mit der Mutter, die Einschlafgeschichte vom Vater, die jährliche Vorfreude auf den leckeren Geburtstagskuchen, die Weihnachtsbastelei mit den Nachbarskindern.

Sicherheitsinseln im Familienalltag - besonders für die Kleinsten

Beglückende Erinnerungen - denn diese kleinen und großen Zeremonien sind es, die dem Alltag eine erkennbare Struktur geben. Die stete Wiederkehr des Vertrauten vermittelt gerade in unserer schnelllebigen Zeit allen Familienmitgliedern Halt, Sicherheit und Geborgenheit. Von diesem festen Rahmen profitieren vor allem unsere Kinder. Sie müssen täglich Neues dazulernen und sich in der Welt zurechtfinden. Ein Sicherheitsnetz mit vielen vertrauten Abläufen hilft ihnen bei diesen Herausforderungen - ob es ums Einschlafen geht, um den Beginn der Kindergartenzeit oder den Umgang mit besonders herausragenden oder gar schmerzlichen Erfahrungen. Im folgenden einige Anregungen, wie Sie Ihren Familienalltag mit lebendigen Ritualen erleichtern, bereichern oder einfach fröhlicher gestalten können.

"Weißt du, wie viel Sternlein stehen?" - Das Einschlafritual

Viele Eltern sind froh, abends endlich ins Bett fallen zu können. Ganz anders die Kinder: Für sie heißt Schlaf Dunkelheit, Trennung, Alleinsein, Träume aushalten zu müssen. Ohne Hilfestellung schafft es kaum ein Kind, sich angstfrei auf die Nacht einzulassen. Wir Eltern können unseren Kindern deshalb kaum ein schöneres Geschenk machen, als ihnen ein zärtliches Abendritual anzubieten. Und wir beschenken uns damit sogar selbst: Auch wir können den häufig hektischen Tag ruhig, besinnlich, mit Gesprächen, mit Umarmungen, mit gemeinsamem Singen ausklingen lassen. Für berufstätige Mütter und Väter ist die Einschlafzeremonie oft die einzige Möglichkeit, abseits des Organisationsstresses ein paar intensive Minuten mit den Kindern zu verbringen.

Wie dieses Ritual gestaltet wird, hängt vom Alter und von den Vorlieben der Kleinen ab. Wichtig ist der immer gleiche Ablauf - bis das Kind etwas Neues verlangt. Und genügend Zeit sollten wir uns auch nehmen. Zum Beispiel dafür, eine Geschichte vorzulesen, ein bewährtes Schlaflied zu singen, den Rücken zu kraulen, sämtlichen Kuscheltieren einen Gutenachtgruß zu überbringen, die Monster zu verjagen, ein Abendgebet zu sprechen, sich zum Schmusen mit ins Bett zu legen - um nur einiges zu nennen. Hauptsache, unsere Kinder verspüren Wärme und Geborgenheit und sind auf diese Weise für die dunkle Nacht gewappnet. Gibt es diese Grundsicherheit, sind übrigens auch Ausnahmen von der Regel leichter möglich.

Von der gemeinsamen Mahlzeit bis zum Weihnachtsfest - Rituale für alle Gelegenheiten

Viele der täglichen Rituale erfordern überhaupt keinen Aufwand oder gar ein starres Korsett - im Gegenteil. Sie sind Bestandteil des alltäglichen Lebens und wandeln sich wie dieses. Sie vermitteln in erster Linie ein Wir-Gefühl, das den Schutz- und Sicherheitsbedürfnissen gerade der Kinder zu Gute kommt. Nach dem gemeinsamen Abendessen kann zum Beispiel jeder erzählen, was ihn am Tag beschäftigt hat und sich Rat und Unterstützung holen. Da kommt dann der gute Tipp von der großen Schwester, wie man sich am nächsten Tag wieder mit der Kindergartenfreundin verträgt. Oder ein kleiner Langschläfer besteht darauf, jeden Morgen mit dem gleichen Vers geweckt zu werden, andernfalls werde er nicht aufstehen. Oder bei Erkältungen wird die Lieblingssuppe gekocht, die man im Bett essen darf.

Und dann sind da noch die Rituale für die besonderen Gelegenheiten: Geburtstag, Ostern, Weihnachten, Familienfeste aller Art - Auszeiten vom Alltag, die speziell inszeniert werden sollten. Schön, wenn man auf "überlieferte" und immer noch beliebte Zeremonien aus der Familiengeschichte zurückgreifen kann. Aber auch, wenn Sie und Ihre Kinder neue Wege beschreiten müssen oder wollen: Entscheidend ist, dass die gemeinsam entwickelten Rituale allen Familienmitgliedern ein Zusammengehörigkeitsgefühl signalisieren.

"Wir freuen uns, dass du geboren bist" - Rituale für Geburtstagskinder

Gerade der Geburtstag ist für unser Kind von enormer Wichtigkeit. Hier erfährt es, dass man sich über sein Dasein freut - eine wunderbare Stärkung für das Selbstwertgefühl. Es kommt dabei nicht auf die Höhe des Geschenkeberges an, sondern auf die Zuwendung und die möglichst immer gleiche Gestaltung des Ereignisses. Das beginnt mit dem Wecken der Vorfreude, geht über das Geburtstagsständchen und den Anruf der Lieblingstante bis hin zum obligatorischen Smartieskuchen, der zusammen mit den Kindergartenfreunden in einer wilden Kuchenschlacht verputzt wird. An die Glücksgefühle nach einem solchen Tag wird sich Ihr Kind noch lange erinnern.

Mehr über alte und neue Rituale

Gertrud Kaufmann-Huber beleuchtet das Thema Rituale aus ihrer Berufserfahrung als Therapeutin und Kinder- und Jugendpsychologin. Ihr Buch "Kinder brauchen Rituale. Ein Leitfaden für Eltern und Erziehende" vermittelt gut verständlich psychologisches Hintergrundwissen und gibt Hinweise zum Umgang mit Ritualen. Über das "Comeback der Rituale" schreibt Brigitte Beil in ihrem Ratgeber "Schlummertuch und Hochzeitstag. Rituale in der Familie". Sie finden darin viele Beispiele für Rituale im Alltag einer Familie: Rituale für die verschiedenen Altersstufen, für besondere Gelegenheiten, für den Zyklus des Jahres und des Lebens. Ähnlich aufgebaut ist auch der Ratgeber von Gisela Preuschoff "Geborgen im Jahreskreis. Rituale mit Kindern". Die Autorin beschreibt, wie Eltern das Zusammenleben mit ihren Kindern mit alten und neuen Ritualen gestalten und intensiver erleben können. Die Diplom-Psychologinnen Brigitte Baslé und Nele Maar haben viele Personen zum Thema Rituale befragt. Nachzulesen sind diese sehr unterschiedlichen Erinnerungen in dem Buch "Alte Rituale - Neue Rituale. Geborgenheit und Halt im Familienalltag". Auch dieses Werk steckt voller Anregungen. Dem wichtigen Thema "Einschlafen" widmet sich der Ratgeber von Doro Kammer "Zärtlicher Abschied vom Tag. Einschlafrituale für Kinder". Nach der Lektüre wissen Sie, wie Sie Ihr Kind am besten in die Nacht begleiten.

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