Wenn Kinder Angst vor der Schule habenIch will da nicht mehr hingehen!

Jedes fünfte Kind leidet unter Schulangst. Eltern, die bei ihren Kindern Angst vor der Schule bemerken, sollten das ernst nehmen. Oft liegt eine Versagensangst zu Grunde und diese sollte behoben werden.

Wenn Kinder Angst vor der Schule haben: Ich will da nicht mehr hingehen!
© Jens Weber - pixelio.de

"Ich will nicht in die Schule!" Die achtjährige Lara ist verzweifelt. Abends kann sie nicht einschlafen, sie hat Angst vor Alpträumen. Morgens klagt sie über Bauchschmerzen und bleibt immer häufiger zu Hause. Wenn sie doch zur Schule geht, zieht sie blass von dannen. Ihre Eltern sind ratlos. Lara hat Schulangst. "Dabei kümmere ich mich wirklich um sie", sagt ihre 32-jährige Mutter. "Wir lernen viel zusammen".

Dass Kinder phasenweise keine Lust auf Schule haben, ist normal. Es gibt Zeiten, in denen sie sich am liebsten zu Hause verkrümeln würden, statt die Schulbank zu drücken. Auch Muffensausen vor neuen Situationen und fremden Gesichtern ist normal - und wichtig für die Entwicklung. Durch solche vorübergehende Ängste lernen Kinder, dass sie Schwierigkeiten bewältigen können.

Anders liegt der Fall, wenn die Unsicherheiten im Schülerleben gar nicht mehr verschwinden. Das Kind steht ständig unter Druck. Es klagt über Schmerzen, ohne dass organische Ursachen zu finden sind. In vielen Fällen wirkt ein Kind mit Schulangst geknickt, wenn es zum Unterricht muss; und erleichtert, wenn es zuhause ist.

Zunächst herausfinden, wo die Ursachen für die Angst liegen

"Um zu helfen, müssen man zunächst einmal herausfinden, woher die Angst rührt", sagt der Kölner Kinderpsychiater Gerd Lehmkuhl. Hängt die Angst direkt mit der Schule zusammen? Fühlt sich ein Kind dort überfordert, nicht anerkannt, von Mitschülern oder Lehrern nicht geschätzt? In solchen Fällen sprechen Gerd Lehmkuhl und der Kindertherapeut Wolfgang Oelsner - Autoren eines Ratgeberbuches (siehe Literaturliste) - von "Schulangst". Die Ursache liegt direkt im Umfeld der Schule und kann dort behandelt werden.

Davon zu unterscheiden ist die "Schulphobie". Dabei geht es laut Lehmkuhl und Oelsner um die Angst vor der Trennung von Zuhause. Ein Kind, das vergöttert wurde, fürchtet plötzlich den rauen Wind in der Schule. Bislang war es König, jetzt ist es höchstens noch Fürst. Oder aber, die Eltern haben Angst, ihr Kind loszulassen. Da fährt eine Mutter ihren Sohn direkt bis ans Schultor, winkt hinterher und ist sichtlich gerührt. Da hat ein Vater Angst, dass sein Kind viel zu sensibel für die Schule ist, und überspielt das mit einem burschikosen "Wehr dich!" - eine Doppelbotschaft, die das Kind wahrnimmt. In solchen Fällen muss die Elternbiografie aufgearbeitet werden, um dem Schüler oder der Schülerin zu helfen. Denn oft übernehmen Kinder bei Schulphobien Ängste, die gar nicht ihre eigenen sind.

Wenn Eltern ein Kind überfordern, steigt der Druck und die Angst

Eine der häufigsten Ursachen von Schulangst ist Überforderung. "Etliche Kinder werden heute falsch, nämlich überfordernd beschult", sagen Lehmkuhl und Oelsner. "Schulangst aus Verleugnung der eigenen Begrenzung ist besonders hartnäckig." Da machen sich Eltern und Kinder schlimmstenfalls gegenseitig etwas vor: Mütter und Väter büffeln mit ihrem Nachwuchs und loben jeden kleinsten Schritt, um zu motivieren. Doch für das Kind steigt dadurch nur der Druck.

Auch Lara steckt in der Leistungsfalle. Mit besten Absichten paukt ihre Mutter mit ihr Diktate und Rechenaufgaben. Was sie nicht wahrnimmt, ist, dass Lara schon für einfachste Aufgaben alle Reserven mobilisieren muss. Es kostet sie eine ungeheure Anstrengung, mit der Klasse Schritt zu halten. Dass andere Kinder mit Leichtigkeit weiterkommen, während sie sich abrackert, ist für Lara kränkend. Aber noch viel schlimmer wäre es, sich ihre Begrenzung selbst einzugestehen und ihre Eltern zu enttäuschen.

Um Schulangst von den Wurzeln her zu bekämpfen, müssen Eltern auch ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen unter die Lupe nehmen. Steckt hinter gut gemeinter Förderung eigener Ehrgeiz, der dauerhaft einfach nicht dem Wesen des eigenen Kindes entspricht? Werden Existenzängste der Erwachsenen aufs Kind übertragen?

Möglichkeiten mit Gewalt als Angstauslöser umzugehen

Doch was tun, wenn die Angst mit der familiären Konstellation nichts zu tun hat, sondern mit Gewalt an Schulen? Gerd Lehmkuhl und Wolfgang Oelsner raten, genau hinzusehen, wenn sich ein Kind angegriffen fühlt. Hatten es die Angreifer direkt auf ihr Kind abgesehen oder geriet es eher zufällig ins Gemenge? Kann es aktiv gefährliche Situationen meiden - also zum Beispiel Raufgruppen aus dem Weg gehen? Hilfreich sind auch Verbündete, etwa ein Mutschüler, dem es ähnlich ergeht wie dem eigenen Kind. Was auch helfen kann, ist der Blick auf andere: Wie gehen sie mit der Angst machenden Situation um?

Bei nackter Gewalt gibt es freilich nichts mehr zu diskutieren. Bekommen Schulleiter, Sozialarbeiter und Polizei sie nicht in den Griff - etwa, wenn eine Gang eine Schule tyrannisiert - dann bleibt auch nach Meinung der Experten nur noch der Schulwechsel.

Doch solche Vorkommnisse sind selten. In den meisten Fällen von Schulangst oder Schulphobie kann etwas getan werden, ohne dass ein Kind seine Klasse für immer verlässt. Das A und O im Umgang mit ängstlichen Kindern ist, dass sie ernst genommen werden. Ratschläge wie "Das ist doch nicht so schlimm", "du musst keine Angst haben" oder "stell dich nicht so an" helfen einem Kind nicht weiter. Denn einfach ausreden lässt sich die Angst nicht.

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