Kinderängste erkennen und mit ihnen umgehenWenn das Klomonster lauert

Angst ist kein Makel und kein Fehler. Sie gehört zu uns, ist nützlicher Bestandteil unseres Lebens. Doch die Ängste von Kindern müssen auch ernst genommen werden. Ein Blick auf mögliche Ursachen ist hierfür ein erster Schritt.

Kinderängste erkennen und mit ihnen umgehen: Wenn das Klomonster lauert
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"Mama, ich hab Angst!! "Der vierjährige Paul hat das rote Kletternetz bis oben erklommen und jetzt verlässt ihn der Mut. Die Angst lähmt ihn, er fühlt sich klein und hilflos, sieht keinen Weg zurück auf den sicheren Boden.

Beate, die Mutter des Kleinen, beobachtet die Szene von unten. Ihr stockt kurz der Atem, aber sie bleibt äußerlich gelassen. "Du schaffst es schon. Du kommst schon wieder gut runter. Ist doch klar, dass du dich etwas fürchtest, jetzt, wo du so weit oben bist." Und mit ruhiger Stimme dirigiert sie die nächsten Schritte ihres Sohnes. Nach wenigen Augenblicken hat der kleine Klettermax sein Selbstvertrauen wiedergefunden und schafft den Rest mit spielerischer Leichtigkeit allein. Unten angekommen strahlt er. Die Angst von eben ist schon fast vergessen. Er ist stolz, dass er allein von da oben heruntergekommen ist.

Angst ist eine natürlich Reaktion

Angst ist kein Makel und kein Fehler. Sie gehört zu uns, ist nützlicher Bestandteil unseres Lebens. Wie ein Frühwarnsystem funktioniert sie, wenn wir uns in gefährlichen Situationen befinden. Hätte Paul oben im Kletternetz keine Angst empfunden, hätte er die objektiv riskante Situation möglicherweise unterschätzt und wäre durch eine Unkonzentriertheit wirklich in Gefahr geraten. Wenn Kinder Angst verspüren, ist es deshalb wichtig, sie zuzulassen und ihnen das Bewusstsein zu vermitteln, dass das Gefühl der Angst normal und in Ordnung ist.

Mit der Angst umgehen lernen

Dennoch hätte Paul nicht länger in der Angst verharren dürfen. Womöglich wäre er panisch geworden. Er muss lernen - wie alle Großen und Kleinen - mit der Angst umzugehen. Egal, wodurch kindliche Angst verursacht ist: verübeln Sie Ihrem Kind nicht, wenn es ängstlich, auch wenn es sich selbst in die angsteinflößende Situation gebracht hat. Helfen Sie ihm, seine Angst zu bewältigen. In unserem Beispiel wäre es denkbar ungünstig, wenn Beate ihren verängstigten Sohn mit Vorwürfen traktierte ("Warum kletterst du auch so hoch!") oder seine Ängste gar noch verstärkte ("Vorsicht, gleich fällst du", oder "Ich hab dir doch gleich gesagt, dass du das noch nicht schaffst.").

Ein Kind, das Angst empfindet, braucht Ihre Nähe und Liebe, Körperkontakt und Vertrauen. Beate gibt dem kleinen Paul das Selbstbewusstsein zurück, das ihm kurzfristig verloren gegangen ist. Sie bestärkt ihn in seinen Fähigkeiten, sie glaubt an ihn, weiß, dass er den Weg hinunter allein schaffen kann. Paul spürt diese Zuversicht.

Ob der große Nachbarhund, ein aggressives Kindergartenkind oder das Klomonster Angst machen - natürlich erschrickt man als Mutter oder Vater, wenn das eigene Kind leidet, weil es sich vor irgend etwas ängstigt. Aber denken Sie daran, dass Sie Ihrem Kind nicht helfen, wenn Sie ihm alle Brocken der Angst, die es auf seinem Weg vorfindet, aus dem Weg rollen. Helfen Sie ihm lieber, mit der Angst klarzukommen.

Furcht und Angst

Angst ist nicht gleich Angst. Nicht umsonst gibt es in unserer Sprache unterschiedliche Begriffe im Wortfeld Angst. Wir unterscheiden vor allem zwischen Furcht, Angst und Phobie. Die Furcht bezieht sich auf konkrete Objekte wie das laute Dröhnen des Düsenfliegers oder den riesigen Hund am Gartenzaun. Angst bezieht sich auf abstraktere Ursachen, wie die Trennung von den Eltern, magische Gestalten oder das schulische Versagen. Die Angst ist dauerhafter, sie lässt einen oft hilflos und ohnmächtig zurück. Die Phobie schließlich ist eine krankhafte Ausprägung der Angst, die ärztlicher Hilfe bedarf. Häufig wird sie durch verschobene, nicht gelöste Ängste verursacht.

Ursachen der Angst

Kindliche Ängste können aus unterschiedlichen Gründen entstehen. Man unterscheidet zwei Arten von Ursachen, die erziehungsbedingten und die entwicklungsbedingten Ängste.

  1. Erziehungsbedingte Ängste
    Hin und wieder tragen Eltern ungewollt dazu bei, dass ihr Kind sich ängstigt. Ein unterdrückender Erziehungsstil ist ebenso problematisch wie ein inkonsequentes, mit Strafen drohendes Verhalten. Auch eine Erziehung ohne Grenzen und Regeln, die nur ab und an straft, kann Ängste auslösen. Überbehütete Kinder sind häufig ebenfalls von Ängsten besetzt, weil sie kein altergemäßes Selbstbewusstsein ausprägen konnten. Aber auch eine überfordernde Erziehung, die Kindern zuviel abverlangt, kann dazu führen, dass ein Kind Angst entwickelt.
  2. Entwicklungsbedingte Ängste
    Zu bestimmten kindlichen Altersphasen gehören kindliche Ängste als Teil der normalen Entwicklung dazu. Solange sie nicht so übermächtig werden, dass sie ein Kind in seiner Entwicklung behindern, dürfen sie als Teil eines gesunden kindlichen Heranwachsen ,betrachtet werden.
    Kontakt-Verlust-Angst / Säuglingsalter: Das ist die kindliche Angst der ersten Wochen, die stabile emotionale und körperliche Nähe von Mutter und Vater einzubüßen. Denn die nahe Bindung ist dem Baby ein ebenso wichtiges Bedürfnis wie Trinken und Schlafen. Wird es verlässlich befriedigt, ist der Grundstein für ein relativ angstfreies Aufwachsen gelegt.
    Fremdeln / Acht Monate: die verständliche Angst vieler Babys vor nicht vertrauten Personen. Gestehen Sie ihm diese Angst zu und gewöhnen Sie es gleichzeitig langsam und behutsam an neue Gesichter.
    Trennungs-Angst / Krabbel- und Lauflernalter: Das Kind erweitert seinen Erlebnisspielraum und die neuen Eindrücke lösen mitunter erst einmal Ängste aus. Unterstützen Sie Ihr Kind mit Liebe und Nähe, wenn die neue Freiheit zum Fürchten ist.
    Trennungs-Angst / Kindergarten-Alter: Wenn Ihr Kind in den Kindergarten kommt, erlebt die Angst vor dem Abschied von der geliebten Bezugsperson häufig eine neue Hochphase. Nehmen Sie sich genügend Zeit für die Eingewöhnung, nehmen Sie die Angst Ernst. Aber helfen Sie Ihrem Kind auch, indem Sie nach einiger Zeit konsequent bleiben und klare Strukturen und Zeiten vorgeben. Wenn Ihr Sprößling merkt, dass Sie zuverlässig und pünktlich zurückkommen, wird ihm die Trennung von Ihnen viel leichter fallen.
    Vernichtungsängste / Vorschulalter: die Zeit der "magischen Phase". Kinder erleben die Wirklichkeit in dieser Lebensphase weit weniger rational und vernünftig, als wir Erwachsenen es tun. Sie fürchten sich vor magischen Gestalten wie Gespenstern oder Monstern. Gegenstände bewegen sich im Dunkeln, die Welt wird zum unbegreiflichen Risiko. Nehmen Sie diese Sorgen ernst. Dazu gesellen sich häufig Ängste vor Gewitter, Katastrophen, Krieg und Tod. Bitte versuchen Sie nicht, Ihrem Kind diese Ängste auszureden, nehmen Sie sie ernst und finden Sie gemeinsam Rituale, wie Sie die Angst verjagen können (s.unten).
    Soziale Ängste / Vorschul- und Schulalter: das Leben in einer eigenständigen sozialen Gruppe wie dem Kindergarten oder der Schulklasse stellt neue Anforderungen an Ihr Kind. Keinen Freund zu finden, die Großen in der Gruppe, die erforderliche Leistung nicht zu bringen - all das kann Angst machen. Wenn Ihre Tochter oder Ihr Sohn im Schulalter Ängste zeigt, sollten Sie ihr/ihm den Rücken stärken, möglichst von allem Leistungsdruck befreien und im Bedarfsfall mit Lehrern und Schulpsychologen sprechen.

Wie kann ich meinem Kind seine Ängste nehmen?

Liebe, Nähe, Sicherheit - wenn Ihr Kind dies bei Ihnen spürt, haben Sie ihm schon sehr geholfen. Stärken Sie sein Selbstbewusstsein, dann ist für viele Ängste kein Platz mehr. Nehmen Sie die Ängste Ihres Kindes ernst und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. Bei der Frage nach Krieg und Tod möchten Kinder einfache und klare Antworten und vor allem das Gefühl, dass es in Krisenzeiten nicht allein sein wird. Sie werden überrascht sein, wie kreativ Kinder sind, wenn es darum geht, Lösungen und Rituale gegen die Angst zu finden. Die meisten Monster und Kobolde lassen sich spielerisch verjagen: durch Talismane, Glückssteine und andere Kraftspender, indem man sie malt oder im Puppen-/Rollenspiel darstellt und erlegt. Die gemeinen Ungeheuer zu malen, zu spielen und danach über sie zu reden, hilft fast immer, ihnen etwas von ihrer Bedrohlichkeit zu nehmen. Helfen Sie Ihrem Kind, die gebastelten oder ins Bild gebannten Störenfriede zu vergraben, zerreißen oder in die Luft zu schicken, es gibt unzählige Möglichkeiten.

Sollten Sie jedoch das Gefühl haben, dass die Angst stärker ist und Ihr Kind und beeinträchtigt, dann suchen Sie Hilfe. Sicher können Ihnen Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen wichtige Hinweise geben, und Ihnen gegebenenfalls den Kontakt zu Erziehungsberatungsstellen oder Kinderpsychologen vermitteln. 

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