Wie Kinder trocken und sauber werdenAb wann aufs Töpfchen

Der Prozess des Sauberwerdens bei Kindern kann unterschiedlich lang laufen. Meist entscheidet das Kind selbst, wann es auf Töpfchen gehen und keine Windeln mehr tragen möchte.

Schritt für Schritt sauberwerden: Ab aufs Töpfchen
© Saklakova - Fotolia.de

"Wie war das denn bei Eurem Fabio oder später dann bei Mariella, als die beiden sauber geworden sind?" Fragt man Eltern im Nachhinein, schaut man zuerst in überraschte und dann nachdenkliche Gesichter. "Das weiß ich gar nicht mehr so genau", heißt es schließlich. "Aber bei beiden war das in etwa vergleichbar: Irgendwann haben sie zuerst tagsüber und dann auch nachts keine Windeln mehr gebraucht. Das kam ganz von allein." Eine typische Antwort von Eltern, deren Kinder problemlos sauber und trocken geworden sind. Diese glücklichen Eltern haben viel zu wenig auf den Entwicklungsverlauf geachtet, um sich später noch an Einzelheiten erinnern zu können.

Wie wird ein Kind denn normalerweise sauber und trocken?

Das Sauberwerden ist ein Reifungsprozess, für den jedes Kind seine im "genetischen Programm" vorgegebene Zeit braucht. Damit Kinder Darm und Blase kontrolliert entleeren können, müssen die anatomischen Strukturen intakt und die Nervenbahnen so weit ausgereift sein, dass als Erstes während der Füllungsphase nichts mehr "passiert"; als Nächstes können Kinder den vollen Darm oder Harndrang wahrnehmen und schließlich sogar richtig auf diese Signale reagieren. Der Darm ist leichter zu kontrollieren als die Blase. Deshalb kommt es bei den meisten Kindern zuerst nachts zu keinem Stuhlgang mehr. Recht schnell landet dann auch tagsüber der Kot im Töpfchen oder im Klo. Und oft dauert es nur wenige Wochen, bis tagsüber ganz auf eine Windel verzichtet werden kann, da die Kinder nun auch zur Harnabgabe Topf oder Klo aufsuchen. Der letzte große Erfolg ist die trockene Nacht. Bis dahin, bis zur perfekten Blasenkontrolle, hat das Kind in der Regel sieben Entwicklungsschritte durchlaufen (s. Kasten).

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Die sieben Erfolgsschritte bis zur perfekten Blasenkontrolle

  1. Das Kind zeigt Interesse am Töpfchen oder an den Toilettengängen der Familienmitglieder und kann schon etwa zwei Stunden trocken bleiben.
  2. Das Kind beginnt auf die Signale seiner Blase zu achten; es unterbricht z.B. das Spiel und hört kurz in sich hinein - der Beweis, dass es jetzt seinen Harndrang wahrnehmen kann.
  3. Ein wichtiger Schritt, den Eltern loben sollten, ist die Meldung: "Hab' Pipi gemacht!" Das Lob ermuntert das Kind, noch genauer auf die Entleerungsvorgänge zu achten. So wird ihm schnell die zeitliche Nähe zwischen sich ankündigendem Harndrang und anstehender Entleerung bewusst.
  4. Jetzt reagiert das Kind auf seinen Harndrang schon zielgerichteter. Es meldet ihn rechtzeitig, damit ihm jemand beim Toilettengang helfen kann.
  5. Der nächste Erfolg ist, wenn das Kind zwar ohne Harndrang, aber auf Wunsch Pipi machen kann; z. B. vor dem Schwimmkurs oder vor dem Gang zum Spielplatz.
  6. Schließlich kann das Kind selbst bei Harndrang einen Toilettengang noch einige Minuten herauszögern - bis der Parkplatz angefahren oder die Toilette im Zoo gefunden ist.
  7. Ist die letzte Hürde genommen, schläft ein Kind nachts ohne Blasenentleerung durch.

In welchem Alter sollten Kinder sauber und trocken sein?

Ein Kind sollte nach Expertenmeinung mit fünf Jahren tags und nachts trocken sein. Bis zu diesem Alter spricht man nicht von Einnässen, und bis dahin können auch 85% aller Kinder ihre Blase perfekt kontrollieren. Diese Altersfestlegung ist deshalb sinnvoll, weil eine noch nicht perfekte Blasenkontrolle in den Jahren zuvor noch sehr häufig und keineswegs als problematisch oder gar bedenklich im Hinblick auf die weitere Entwicklung anzusehen ist. Viele internationale Studien zeigen, dass Kinder im Durchschnitt mit 28 Monaten am Tag trocken werden und mit durchschnittlich 33 Monaten stabil trockene Nächte haben. Wie das Wort "Durchschnitt" sagt, gibt es schnellere und langsamere Kinder. Die Sensation dabei ist: diese Zahlen sind völlig unabhängig davon, ob Eltern eine Sauberkeitserziehung durchgeführt haben oder nicht!

Weiß man um die biologische Seite des Geschehens, kann diese Tatsache nicht überraschen. Reifungsprozesse sind von außen in ihrer Geschwindigkeit nicht zu beeinflussen. Deshalb können Eltern ihrem Kind auch durch Wecken oder abendliche Flüssigkeitseinschränkung nicht schneller zu einer trockenen Nacht verhelfen. Die Hoffnung, eine weniger gefüllte Blase sei einfacher zu kontrollieren, trügt. Das Einnässen passiert oft bereits in den ersten beiden Stunden nach dem Zubettgehen; bei den meisten Kindern auf jeden Fall vor Mitternacht, während einer Zeit also, in der die Blase noch gar nicht voll ist. Die nächtliche Harnabgabe hängt nicht von der Flüssigkeitsmenge, sondern von noch nicht unterdrückten nervösen Impulsen ab, die eine spontane Entleerung auslösen.

Was wird heute unter Sauberkeitserziehung verstanden?

Bevor die nötigen Reifungsschritte abgeschlossen sind und das Kind seinen Harndrang wahrnehmen kann, nützt Sauberkeitserziehung nichts. Wenn Eltern Anzeichen für Harndrang bei ihrem Kind beobachten, können sie ihm Töpfchen oder Toilette anbieten - aber nur anbieten, nicht aufzwingen. Ist das Kind bereit für Sauberkeit, schaut es sich von seinen Eltern, Geschwistern und Kindergartenfreunden ab, wann man zur Toilette geht und wie viel Vorbereitungszeit man einkalkulieren muss, damit nichts schief geht. Es muss auch lernen, wo man Toiletten findet und wie man sich dort verhält.

Was ist, wenn nach dem fünften Geburtstag Hose oder Bett noch oft nass sind?

Von dieser Situation sind etwa 15 % der Fünfjährigen betroffen. Sie brauchen vor allem Geduld und Unterstützung, um ebenfalls trocken zu werden. Erfreulicherweise haben nur wenige dieser Kinder eine Form der Inkontinenz, d. h. nur selten klappt die Harnabgabe aufgrund organischer oder funktioneller Gründe nicht. Viele Kinderärzte haben sich heute auf ein nicht belastendes und dennoch aussagekräftiges Untersuchungspaket geeinigt, um eine Inkontinenz, die dann entsprechend medizinisch behandelt werden muss, schnell und eindeutig von der Enuresis, dem Einnässen ohne organische Ursachen, trennen zu können.

Bei Kindern mit Enuresis steht, obwohl sie einnässen, die Blase nicht im Vordergrund der therapeutischen Bemühungen. Die Arbeit mit diesen sensiblen und verletzlichen Kindern hat gezeigt, dass es belastende Tagesereignisse sind, die zum Einnässen kurz nach deren Auftreten (Tagnässen) oder zum Einnässen in der darauf folgenden Nacht (Nachtnässen) führen. Ausgewertete Einnäss-Kalender belegen, dass bei über 80% der nassen Nächte konfliktreiche und aufregende Tage vorangegangen waren. Diesen Belastungen auf die Spur zu kommen und sie bewältigen zu lernen, ist für Kinder mit Enuresis der erfolgreichste Weg zum Sauberwerden.

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