Die Psyche des Kindes stärkenResilienz: Starke Seele - starkes Kind

Die psychische Widerstandsfähigkeit bei Kindern ist sehr wichtig. Denn Misserfolge und Rückschläge sind auch für Kinder nicht leicht zu verkraften. Eltern können ihren Kindern helfen, die Psyche zu stärken.

Die Psyche des Kindes stärken: Resilienz: Starke Seele - starkes Kind
© Pixelio - Peter Smola

Es ist wie mit dem Schnupfen: Während manchen Kindern beim leisesten Windstoß sofort die Nase läuft, erkälten sich andere nur selten. Wir sagen: "Sie sind abgehärtet." Ihr Immunsystem kann die Angriffe auf den Körper erfolgreich abwehren. Genau wie der Körper, ist auch die Seele Risiken ausgesetzt. Statt Viren und Bakterien wird sie beispielsweise durch Misserfolge, Notsituationen oder Unglücksfälle attackiert. Auch hier gibt es Kinder, die einem belastenden Ereignis, wie zum Beispiel einem Streit, schnell hilflos gegenüberstehen. Andere hingegen "haut so leicht nichts um". Sie sind in der Lage, kritische Erfahrungen zu meistern ohne Schaden zu nehmen. Diese psychische Widerstandsfähigkeit nennen Wissenschaftler Resilienz. Vereinfacht gesagt ist Resilienz also das Immunsystem der Seele.

"Jeder Mensch trägt resiliente Kräfte von Natur aus in sich", erklärt Professor Jürg Frick von der Pädagogischen Hochschule Zürich. "Dennoch gibt es sehr deutliche Unterschiede in ihrer Ausprägung." Es muss also Merkmale geben, die die Entwicklung von Resilienz fördern oder hemmen können. In zahlreichen Studien fanden Wissenschaftler heraus, dass resiliente Kinder tatsächlich über so genannte protektive Faktoren verfügen, die die psychische Widerstandsfähigkeit begünstigen. Sie zu kennen, so Jürg Frick, sei für alle Eltern und ErzieherInnen von großer Bedeutung, denn sie lieferten Antworten auf die Frage: Wie kann ich die Seele meines Kindes stärken?

Erziehung mit Feingefühl

An erster Stelle steht eine stabile emotionale Bindung zu mindestens einem Elternteil. Jürg Frick: "Günstig ist ein verlässlicher und feinfühliger Erziehungsstil, der das Kind unterstützt, es bejaht, ihm Freiräume gewährt, aber auch freundlich, berechenbar und altersgemäß Grenzen setzt. Stabilität ist ohne Struktur nicht möglich." Auch das soziale Umfeld des Kindes spielt eine Rolle: Sichere emotionale Beziehungen zum Beispiel zu Verwandten, Nachbarn, Freunden oder zu einer Erzieherin bieten einen "Zufluchtsort" bei belastenden Familiensituationen. Günstige Beziehungen zu Eltern und Umfeld erzeugen eine soziale Verwurzelung: Das Kind erfährt, dass es anderen nicht egal ist. Das Wissen um diesen sicheren Hafen schafft Mut und Selbstbewusstsein und stärkt damit die Resilienz.

Eine Vielzahl weiterer protektiver Faktoren lässt sich unter dem Stichwort "Individuelle Eigenschaften des Kindes" zusammenfassen: Resiliente Kinder sind neugierig und vielseitig interessiert, kontaktfreudig, haben Fantasie, ein positives Weltbild und ein ausgeglichenes Temperament, sind beispielsweise in der Lage, aggressive Impulse zu kontrollieren. Viele Untersuchungen zeigen auch, dass nicht-resiliente Kinder sich in einer kritischen Situation passiv oder ausweichend verhalten, während sich resiliente Kinder aktiv handelnd um eine Lösung bemühen. Diese Eigenschaft nennen Psychologen Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugung. Die Kinder fühlen sich dabei nicht dem Schicksal ausgeliefert, sondern wissen, dass sie Einfluss nehmen und verändernd eingreifen können.

Resilient sein heißt: Aktiv sein

Was folgt daraus für die Erziehungspraxis? Wie fördere ich die Kontrollüberzeugung meines Kindes? Jürg Frick: "Es ist leider verbreitet, dass Eltern ihren Kinder alles abnehmen. Das ist sehr ungünstig, denn sie lernen dabei: ‚Ich muss gar nichts machen, alles passiert ohne mein Zutun.' Statt dessen sollten Kinder früh erfahren, dass sie nicht einfach nur da sind, sondern wichtige, geschätzte Familienmitglieder, die zum Zusammenleben etwas beitragen." Je nach Alter könnte ein solcher Beitrag zum Beispiel sein, am Wochenende den Frühstückstisch zu decken. Kinder übernehmen gern Verantwortung, freuen sich, wenn ihnen etwas zugetraut wird. Auch im Kindergarten gibt es kleine Ämter, die ein Kind spüren lassen: "Ich leiste einen aktiven Beitrag für die Gemeinschaft."

Ein weiterer Schritt ist, den Kindern ihre Erfolge und Fähigkeiten vor Augen zu führen, sie zu spiegeln: "Toll, wie du den Tisch gedeckt hast. Danke dafür, dass du mir die Arbeit abgenommen hast." Kinder ab und zu um Rat zu bitten ("Ich bin mir nicht sicher, ob... Was meinst du dazu?") signalisiert ihnen ebenfalls, dass sie wertgeschätzt werden und einen gestalterischen Part einnehmen können. Darüber hinaus lernen sie dabei, dass man bei Problemen durchaus um Hilfe bitten kann.

Lob und Kritik

Lob und Kritik sollten immer spezifisch sein, sich also auf ein bestimmtes Verhalten des Kindes beziehen und nicht verallgemeinernd auf das Kind selbst. Achten Sie darauf, dass es sich als "Verursacher" sieht, der Konsequenzen in seiner Umwelt auslöst - positive ("Meine Eltern freuen sich, weil ich...") oder negative ("Kai weint, weil ich..."). Wenn Sie kritisieren, fordern Sie das Kind auf, akzeptable Alternativen zu überlegen. Das alles klingt möglicherweise etwas kompliziert. Wenn man jedoch im Hinterkopf hat, dem Kind seine aktive Rolle aufzuzeigen, es zum Handeln zu ermutigen, klappt das richtige Loben und Kritisieren recht gut.

Überhaupt verfügen Kinder von Natur aus über viele Eigenschaften, die die Resilienz stärken, erklärt Jürg Frick. Die oben erwähnte Hilfsbereitschaft gehört genauso dazu wie die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen; auch Neugier ist angeboren. "Diese Fertigkeiten werden nur im Alltag schnell übersehen und deshalb nicht bewusst wiedergespiegelt." Resilienz stärken heißt also oft gar nicht, den Kindern etwas Neues beizubringen, sondern lediglich, Vorhandenes nicht zu hemmen.

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